Where the streets have no name

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Ich habe einen Ohrwurm. Wie so oft, wenn ich Fahrrad fahre. Zu C.s Leidwesen handelt es sich bei den Liedern in meinem Kopf meistens um Werke der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, und außerdem singe ich laut mit (...einmal kurz aufs Gas und schon bin ich da-da...). Das war am Sonntag, als die Schicke Mütze zu "Schotter, Kies & Moos 2019 – die Gravelrunde in Düsseldorf" eingeladen hatte, anders. Aus gegebenem Anlass klingelte U2 durch mein Hirn.

"Schlagloch, Berg & Schinderei" hätte es korrekt heißen müssen.  (Fotos: Martin)

The city's a flood
Ehrenflamingo Martin und ich erhalten im Mützenhof letzte Instruktionen (für unterwegs) und Ventilkappen (für den Fährmann) und rollen in das graue Düsseldorfer Nass. Wir verirren uns bereits auf der Graf-Adolf-Straße, weil der Dauerregen mein Wahoo-Display überschwemmt. Erstaunlicherweise cruisen wir schon vor dem Grafenberger Wald über erste Gravelpassagen. Weniger hingegen erstaunt mich die Tatsache, dass Wasser bereits jetzt aus meinen Schuhen schwappt und die Windjacke unschön an meinen nackten Armen klebt. Doch ich weiß ja: Crosser sind die Härtesten und wenigstens ist es recht warm.

I want to feel sunlight on my face
Sonnenschein geht anders, aber auf unserem Weg bergauf, vorbei am Golfplatz und auf einen Höhenzug (jawohl!) mit vermutlich herrlichem Blick auf Düsseldorf, verzieht sich die bleifarbene Regenwand langsam. Wir poltern über Wirtschaftswege, rumpeln über Feldwege. Oder wie Carsten von der Schicken Mütze schreibt: "Es gibt auch Wegstrecken über befestigten Untergrund. Wir haben jedoch darauf geachtet, dass der dann möglichst schlecht ist."

Schlechte Wege sollt Ihr fahren...

I want to tear down the walls
Am Straßenbelag der Serpentinen bergab gibt es indes nichts zu beanstanden, allerdings zollen leider einige Fahrerinnen und Fahrer der Nässe Tribut (Gute Besserung an dieser Stelle!). Ehrenflamingo Martin kann nach seinem Sturz Gott sei Dank direkt weiterradeln, wenn auch nicht sehr weit. Kurz verdächtigen wir und unsere sehr netten Mitfahrer Axel und Dani das Mützen-Team, den Baumstamm quer über den Weg gelegt zu haben. Wir hieven uns und unsere Räder über den Stamm und rollen talwärts weiter.

Hier hat Kerstin von der Mütze fotografiert, wie wir ausnahmsweise problemlos vorwärtskommen

 

Am Bahndamm an der Angermühle wird uns klar, dass hier nicht die Schicke Mütze, sondern rohe Sturmgewalt am Werk war. Niemand hat zufällig eine Kettensäge dabei, und so verbringen wir eine Viertelstunde damit, über Äste, Zweige und Blattwerk zu klettern und eine Räder-Anreich-Kette zu bilden. Und weiter! Unsere Gruppe ist inzwischen gewachsen und wir machen uns gegenseitig Komplimente ob des geringen Gewichts unserer Gravelbikes. Nach kaum 50 Metern erstarren wir: der komplette Wald liegt uns zu Füßen.

It's all I can do
Unsere Optionen sind mau. Links geht es senkrecht durch den noch vorhandenen Baumbestand nach oben, zu unserer Rechten senkrecht aufs Gleisbett nach unten. Wir entscheiden uns für die Option "Kommando zurück" und mäandern improvisiert und extremst romantisch entlang der Anger, bis wir wieder auf die ursprüngliche Route stoßen. Der Streckenabschnitt hält eine höchst unromantische Bergankunft für uns bereit. Alle keuchen, viele fluchen, einige schieben.

... drei Stempel sollt Ihr sammeln.

 

Nach weiteren Kilometern durch tiefen Sand, feinen Kies und groben Schotter taucht im Nichts endlich die Verpflegungstelle auf und überzeugt mit frischen Früchten, Nüssen und Gürkchen im Allgemeinen sowie flamingofarbenem Hummus im Besonderen. Jetzt sind wir satt, getrocknet, die Sonne scheint und kein Hügel mehr in Sicht. Besser wird's nicht.

Diese Annahme erweist sich als falsch, denn auf der Rheinfähre Kaiserswerth hat jemand eine Schaukel angebracht! Ich gehe eifrig meiner Lieblingsbeschäftigung nach – schaukeln kann ich wirklich am besten – doch leider ist die Überfahrt viel zu kurz. Also weiter schottern. 

"Sich über den Rhein schaukeln lassen" bekommt eine völlig neue Bedeutung.

Auch auf den letzten Kilometern bleiben die Wege grottig bis schlecht, und langsam vertreibt die Aussicht auf die uns versprochene Pasta meinen Dauer-Ohrwurm. Mit Blick auf die Düsseldorf-Skyline rumpeln wir am Rheinufer entlang, nehmen noch einen Schlenker über die Schafswiese mit, und von der Brücke lassen wir uns schließlich entspannt in den Mützenhof rollen. Tour completed! Uerige und Nudeln für alle!

PS.
Fotos zur Schotterfahrt gibt es von der Schicken Mütze hier.

Leider schwer zu erkennen: mein unglaubliches Tombola-Glück. Ich schwenke meinen Gewinn, eine coole Tom-Ritchey-Tasse. Der Tag hat sich gelohnt.