5. Juli 2017
Ich heiße Annette und habe ein Radsportproblem. Sogar C., der höchst rennradaffin ist, wünscht sich manchmal, ich würde das Thema wechseln. Keine Chance. Die Tour, der Grand Départ war hier! In Düsseldorf! Und ich hautnah dabei. Ich bin immer noch vollkommen geflasht.
Vom 29. Juni (Teampräsentation) bis zum 1. Juli (Einzelzeitfahren) war ich als Tourmakerin in Düsseldorf unterwegs – zusammen mit Maren von ichhasselaufen (der ich jetzt einfach auch mal ein Radsportproblem unterstelle).
Was mich zuerst fasziniert hat, waren gar nicht die Räder, Tourbusse, Fahrer, Hubschrauber, Tourautos und Ausrüstungslaster, sondern die Tatsache, dass in Düsseldorf ständig und blitzschnell Absperrgitter auf- und abgebaut wurden. Zum Beispiel für die Teampräsentation am Donnerstag.
Und weil die Bilder der Teams natürlich die perfekten Kamerawinkel brauchen, wenn sie in die ganze Welt gesendet werden, hat die ARD das vorher geprobt. Mit Düsseldorfer Rennradfahrern. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Menge. Maren zum Beispiel.
Der nette Kameramann war mit Chris Froome bestimmt zufrieden, auch wenn er und sein Team sich verirrt haben und von der falschen Seite anrollten. Nur der Bodyguard hat sich leider nicht wirklich in das harmonische Ganze gefügt.
Auch André Greipel konnte überzeugen. Weiter links parkten die Fahrer ihre Räder wieder auf den Autos und wurden in den Teambussen zurück ins Hotel gekarrt. Manche Teams wählten jedoch die schlauere Variante und radelten im Minipeloton zurück.
Während C. weiter vorn stand und reihenweise Fahrer abklatschte, habe ich völlig vergessen, Marcel Kittel zu fotografieren, weil ich eventuell ein bisschen begeistert gekreischt habe, als er vorbeifuhr.
Am Freitag einfach mal am Hotel Nikko vorbeizuradeln erwies sich als hervorragende Idee. Das Team BORA hansgrohe war gerade damit beschäftigt, die Räder für eine Trainingsrunde herzurichten, die Zeitfahrräder zu überprüfen und Reiskuchen zuzubereiten.
Die getapten Stellen auf den Reifen mancher Zeitfahrmaschinen fand ich ganz interessant. Müssen die noch geflickt werden? Und Erinnerungsstützen auf dem Vorbau sind sowieso sympathisch.
Mein geheimer Hotel-Team-Übersichtsplan verriet mir, dass Katusha Alpecin im Hyatt residierte. Tony Martins Zeitfahrmaschine würde ich ja schon gern mal genau unter die Lupe nehmen. Schnurri und ich sausten also los.
Die Profis befanden sich wahrscheinlich gerade auf unserem niederrheinischem Home-Turf für ein lockeres Training, ließen sich massieren oder verschlangen Rote-Bete-Avocado-Gedöns. Trotzdem wurde ich nicht enttäuscht. Denn auch hier waren die Mechaniker schwer beschäftigt.
Tony Martins Zeitfahrrad hat mich schwer beeindruckt. Die anderen auch. Einer hat es sogar hochgehoben und stellte fest: “Es ist sehr leicht.” Dann wandte er sich an einen Fan (Düsseldorfer Radsportszene, eindeutig weiß er das ein oder andere über Rennräder) und erklärte großzügig: “Das ist eine Zeitfahrmaschine, kein Straßenrad. Darum hat es eine sehr aerodynamische Form.” Ach. Ach was. Zum Sattel ist ihm allerdings nichts eingefallen. Mir auch nicht. Sandpapier?! Vielleicht schlage ich das demnächst mal in einer Rennrad-Facebookgruppe vor, wenn mal wieder die Sattelfrage aufkommt.
Der letzte Abend vor der Tour klang bei einer fantastischen Hinterhofparty in der noch fantastischeren Schicke Mütze aus. Coole Musik, Leckeres, Fahrräder und vor allem Menschen, die Fahrräder lieben – eine tolle Atmosphäre. Besonders toll: Ich habe endlich Carolyn kennengelernt, die auf www.ciclista.net über unser liebstes Thema bloggt und im wunderschönen Rosenheim lebt.
Samstag, die Tour und das Regenwetter beginnen. Doch Radsportfans sind hart im Nehmen. Wir feiern, als ob die Sonne scheinen würde, wie Marcel Kittel es begeistert formuliert hat. Die coolste Fankurve hat der Cycling Club Düsseldorf gebildet. Ich schleiche mich hin, falle gar nicht auf und gerate sofort mit Stefans und Martins ins Fachsimpeln und Anfeuern. Ebenso löblich und nicht minder laut: die Niederländer (natürlich) mit Pavillon und Grill rechts und links daneben.
Dank meiner schlauen Fahrer-Liste weiß ich genau, wer als nächstes durchsaust. Greipel, Kittel und Co. fahren ziemlich am Ende, fast hintereinander. Es dauert immer ein bisschen, bis der nächste, angekündigt von Motorrädern, ankommt. Jetzt ist Tony Martin dran. Wir hüpfen, schreien, schwenken, hupen. Mit viel viel viel geringerem Zwischenabstand als alle anderen kommt Tony im Dauerregen angerauscht. Ich glaube, ich kreische mich wirklich heiser. Das muss doch reichen!
Leider reichte es nicht. “Nur” Platz 4, aber es war trotzdem ein wirklich besonderes Zeitfahren, finde ich. So wie überhaupt der ganze Grand Départ. Danke an alle, die es möglich gemacht haben.
Schade, dass alles vorbei ist. Doch bevor sich C. oder sonst jemand zu früh freut: die Tour de France dauert noch drei Wochen. Vive le Tour!
P.S. Und das sagen die Profis
– Marcel Kittel: Düsseldorf, danke für den geilen Auftakt!
– Simon Geschke: Super Auftakt der Tour in Deutschland. Soviele Fans trotz Regen an der Strecke. Ich hab jede Sekunde auf dem Kurs genossen! Danke!
– Marcel Sieberg: Unglaublich!! Gestartet mit Gänsehaut und im Ziel mit tauben Ohren. Was für ein Auftakt. Danke an alle die es möglich gemacht haben.