Hoch hinaus (Teil 1)

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C. und ich waren im Urlaub. Mit den Rennrädern. In bergiger Umgebung. Dafür hatten wir extra einen froschgrünen Fahrradrucksack für mich gekauft. C. führte eine riesengroße, sonnengelbe Reisetasche auf dem Fahrradanhänger mit sich. Rucksäcke eignen sich für ihn nicht, sagt er, weil sie ja schon voll seien, wenn er nur eine Hose einpackt. Oder einen Schuh der Größe 46.

 

Ein kleines Wunder: Alles hat hier reingepasst.

 

Tag 1

In Bad Feilnbach, wo C.s Schwester mit ihrer sportbegeisterten Familie wohnt, statteten wir uns mit einem beachtlichen Energieriegel-Vorrat aus (wichtig für die kommenden Bergetappen) und radelten - endlich - los! Noch vor dem Ende der Straße, in der C.s Schwester wohnt, überlegte ich, ob C. meinen Rucksack auf seinen Fahrradanhänger schnallen könnte. Und wo die Muskelwärme-Tetesept-Salbe ist. Was ich aus dem Rucksack entfernen und bei welchem Kilometerstand ich eine Pause einfordern könnte.

 

Platten Nummer eins.

 

Ich musste nicht lange warten. Wir rumpelten auf dem Schotterweg am nächsten Bergbauernhof vorbei und pfffffft.... Platten an C.s Hinterrad, das dank Anhänger besonders belastet ist. Genau 7 km geradelt.

 

Neffen mit Führerschein sind toll. Leon sowieso (auch schon ohne Führerschein).

 

Unser Neffe Leon kommt im "Begleitfahrzeug" mit einer ordentlichen Luftpumpe und bemüht sich sehr, uns nicht auszulachen. Ich nutze die Gelegenheit, den Rucksack abzusetzen, entferne ein schweres, überflüssiges Handtuch aus meinem Gepäck und bilde mir ein, dass ich schon viel besser/leichter/entspannter weiter radeln kann.

Dann kommen die beiden schlimmsten Anstiege der gesamten Tour. Vor Niklasreuth (Strava-Segment "Niklasreuther Miststück") und Sonnenreuth. Ich muss einmal absteigen. Immerhin belohnt mich auf dem Gipfel die freie Sicht auf Dreharbeiten zu "Rosenheim  Cops". Wir gaffen ein bisschen, und dann hat C. fünf Mal hintereinander einen Platten. Wir schieben die letzten sechs Kilometer bis Gaißach und finden unser abendliches Glück bei Schnitzel, Veltliner und einem gemütlichen Zimmer auf einem Hof am Ortsrand.

 

Nicht im Bild: Links ein hübscher See, schräg rechts: Schloss Neuschwanstein.

 

Tag 2

Wir fahren mit dem Zug nach Bad Tölz und kaufen einen neuen Mantel für C.s Fahrrad. Im Hintergrund: Berge. Oben: Knallblauer Himmel. Drumherum: lieblichste Landschaft und bekannte bayerische Seen. Wir ächzen uns in Gmund am Tegernsee zum Golfplatz hoch (drittfiesester Anstieg, ich schiebe) und treffen dort auf den Teambus von Bora Argon 18, den ich mit offenem Mund bewundere. Drin hängen Reifen, eine riesige Tüte voller Trinkflaschen und neben der Tür steht eine kleine Waschmaschine.

Nach weiteren Anstiegen durch wunderwunderwunderschöne Landschaft erreichen wir Bad Kohlgrub. Ungünstig schräg gelegen. Natürlich müssen wir in den höchsten Teil des Ortes. Dafür chillen wir abends auf einem urigen Holzbalkon mit Wald- und Alpenblick und genießen ein fantastisches Essen, Pferdegewieher und Fachsimpeleien mit zwei Rennradlern aus Katzwang auf der Guggenberg Alm.

 

Der Bodensee-Königsee-Radweg eignet sich - prinzipiell - für Rennräder. Doch hinter Bad Kohlgrub mussten wir improvisieren (sehr erfolgreich).

 

Tag 3

Wieder setzt das Wetter die bayerische Hammer-Landschaft so kitschig wie möglich in Szene. Zumal plötzlich linkerhand ein Schloss auftaucht. DAS Schloss. Außerdem: Paraglider von oben, weitere glitzernde Seen zur Rechten. Vorne Füssen, in dem begeisterte Asiaten und Amerikaner umherhuschen. Wir tanken Flädlesuppe ("Voller Elektrolyte, sehr tüchtig", behauptet C.), und dann sind wir auch schon, nicht minder idyllisch, in Tirol. Auf dem Via Claudia Augusta Radweg kurbeln wir, umgeben von inzwischen noch höheren Bergen, bis nach Reutte.

 

Tag 4

Regen! Panik! Fern- und Reschenpass können wir dann ja wohl vergessen. Dort soll es Schotter-Stücke geben. Und dann auch noch nass. Wir haben seit Tag 1 ein kleines Schottertrauma, denn C.s Platten ereigneten sich auf selbigem Untergrund. Wir buchen daher eine Bikeshuttle-Überfahrt und fühlen uns wie Senioren. Zumal wir uns an diesem Zwangs-Ruhetag mit einer Gondel den Hahnenkamm hinaufschaukeln lassen. Selbstverständlich scheint am späten Vormittag wieder die Sonne, und C. fängt sich bei der zünftigen* Brettljause auf der Alm einen fetten Sonnenbrand ein.

 

Symbolfoto für einen wahrlich märchenhaften Rennrad-Urlaub.

 

Abends bummeln wir durch Nauders (1350 m), ich bewundere Berge, die noch höher und deshalb auch weiß sind und sage Dinge, die Senioren auch sagen: "Herrliche Aussicht", "Hach, diese Luft" und "Komm, wir gehen Schnitzel essen!". Letzteres kann man in Nauders nämlich besonders gut, zumindest was die Portionen betrifft. Neben uns sitzt eine bayerische Schulklasse, die eine Alpenüberquerung macht. Die Jungs bestellen alle ein Riesenschnitzel. Mit doppelt Pommes und Salat. Und dann ordern sie das Ganze nochmal.

 

Vorschau

Werde ich noch "richtig" (also wie, ähm, angedacht mit dem Fahrrad) die Alpen überqueren und dann dank ähnlich erhöhtem Kalorienbedarf den Umsatz in Südtiroler Wirtshäusern ankurbeln? Wann können wir unseren ersten richtigen italienischen Cappuccino trinken? Werde ich durchhalten? Die Antworten plus was es mit Mumien, Flamingotassen und verzweifelten Imkern auf sich hat – demnächst hier.


*dieses Wort wollte ich in diesem Zusammenhang immer schon mal benutzen. Ha!

 

Am dritten Tag habe ich mich übrigens komplett an meinen froschgrünen Begleiter gewöhnt.

 

PS. Tiersichtungen
- 2 Rehe
- 1 schwarze Schlange, länger als mein Arm!
- 2 Dinosaurier (und weil ich weiß, dass mir das niemand glaubt, habe ich zum Beweis natürlich Fotos geschossen, liebe Maren!)

 

Ein Stegosaurus, soweit ich informiert bin.

 

Gaaanz langsaaam zurückweichen, lautet die Devise bei einer T-Rex-Begegnung (gestaltet sich jedoch verständlicherweise als schwierig).