18. August 2019
C. und mich hat der Fahrradurlaub unsere Bikepackingtour vom Niederrhein nach Freiburg bereits ins Saarland geführt. An einem weiteren Rekordhitzetag nehmen wir Kurs auf die Nordvogesen.
Etappe 6: Saarlouis - Meisenthal/Frankreich (75 km)
Ich bin tief enttäuscht. Der Saar-Radweg führt ununterbrochen neben Bundesstraßen her. Oder Autobahnen. Oder Industrieanlagen. Oder Saarbrücken. Von dieser Stadt hatte ich mir aus unerfindlichen Gründen mehr versprochen. Weil sie doch an einem Fluss liegt. Wie Düsseldorf. Aber de facto sausen dort nur Autos durch. Wir radeln weiter.
Auf der anderen, der französischen Seite ist plötzlich alles besser: Ohrenschmeichelnde Stille, grüne Wiesen, Kühe mit Baskenmützen, Menschen mit Baguettes, alle trinken Wein. Ich liebe Fronkraisch! Oui! Darum (und weil ich C. nur allzu gern mit meinen Französischkenntnissen beeindrucke) legen wir erstmal eine Café-Pause in Sarreguemines ein.
Die Stärkung war angesichts kommender Strapazen bitter nötig. Wir haben uns nämlich tatsächlich landschaftlich verbessert. Sprich: der flache Flussradweg hat sich in eine menschenleere und schattenlose Hügellandschaft verwandelt. Die steilen Anstiege überwinde ich mit meiner Flamingo-Mentaltechnik™️: Unfassbar, wie mühelos die junge Radflaminga den Col du Galibier hinaufgleitet. Sie tritt rund und konstant und hat den keuchenden C. bereits weit hinter sich gelassen. Das gepunktete Trikot ist ihr sicher!
Anstrengung und Rekordhitze haben uns in durstige Schweißzombies verwandelt, und wir wollen nur noch im einzigen Hotel, das diese Einöde zu bieten hat, ankommen.
Doch unsere Wahoo- und Garminpfeile zeigen plötzlich auf fragwürdige Schotterpisten, die schräg hinunter ins Grüne führen. Wir schlittern auf einem winzigen Waldtrail weiter bergab – Brennnesseln und Brombeerranken bremsen uns nur bedingt – bis wir irgendwann schiebend etwas erreichen, das auf Zivilisation hoffen lässt. Das fieseste Pavé ever führt uns an einer Kartbahn vorbei und schließlich nach downtown Meisenthal.
Im Vergleich zu Meisenthal ist die Eifel so busy wie Berlin und so lichtdurchflutet wie die Toskana. Doch da wir uns in Frankreich befinden, können immerhin Auswahl und Qualität der Speisen und Weine davon ablenken, dass dies der ideale Ort für das perfekte Verbrechen ist.
Wir bleiben zwei Tage.
Etappe 7: Meisenthal – Strasbourg (66 km)
Bei Sprühregen und 25 Grad ächzen wir uns Berge hinauf und hinunter und lassen uns mit viel Rückenwind den Marne-Rhein-Kanal entlangschieben. Schwupps sind wir in Strasbourg. Und schockverliebt!
Ich summe "Freude schöner Götterfunken", während wir vor sämtlichen EU-relevanten Gebäuden Selfies schießen und uns herrlich europäisch fühlen. Die Stadt ist wunderschön! Wir schlendern, bewundern, staunen, schwärmen und finden immer neue, herrliche Ecken und heimelige Plätze, auf denen regionale Rebengetränke besonders gut schmecken.
Etappe 8: Strasbourg - Freiburg (75 km)
An Kanälen (Tiersichtungen: 1 mutmaßlicher Otter und 1 ertrunkenes Reh) rollen wir weiter mühelos südwärts, bis uns ein Stück Heimat begegnet: der Rhein. Und auf der anderen Seite liegt Deutschland. Mit der kostenlosen (!) Fähre verlassen wir la belle France und nähern uns Freiburg und dem Schwarzwald. Unserem Ziel! Unbewusst verlangsamen wir unsere Fahrt und verbummeln Zeit bei Spaghettieis-Stopps und minutenlangen Tiersichtungen: 30 Störche schrauben sich in der Thermik immer höher und begleiten uns zirkelnd ein Stück des Weges.
Wir feiern unsere Ankunft bei badischem Rahmschnitzel, Tannenzäpfle (C.), und badischem Wein (ich) und beschließen gleichzeitig, unsere Fahrt zu verlängern, um die restlichen Urlaubstage in einem beschaulichen Hochschwarzwald-Bergörtchen zu verbringen.
Etappe 9: Freiburg – Hinterzarten (39 km)
Bereits nach wenigen hundert Metern haben sich meine sämtlichen Freiburg-Klischees bestätigt: 2 Carsharing-Stationen, 8 Menschen auf Lastenrädern, 3 Fahrradgeschäfte, 2 Biosupermärkte, 1 Haus mit grasbewachsenem Dach. Wir fallen gar nicht auf und radeln sehr idyllisch an der Dreisam entlang. C. hat die Strecke über komoot ausgefuchst. Sehr hübsch, durch Kirchzarten und weitere Postkartendörfchen.
Warum wir uns trotzdem auf der (durchaus für den Radverkehr freigegebenen) B31 wiederfinden, ist bis heute nicht abschließend geklärt. "Die B31 durch das Höllental gehört zu den am stärksten befahrenen Straßen in Südbaden und stellt landesweit auch eine der wichtigsten Verkehrsrouten für den Schwerverkehr dar." Wir hoffen jede Sekunde während der kilometerlangen Bergauf-Fahrt auf dem Höllensteig (sic), dass uns ein Weg aus dieser radweglosen, dreispurigen Tempo 100 Qual hinausführt.
Ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen, die Straße zu stürmen und alle motorisierten Verkehrsteilnehmer anzubrüllen, mal gefälligst was fürs Klima zu tun. Gott sei Dank kommt mir an der Ravenna-Schlucht unsere Erlösung in Form einer Waldweg-Abzweigung nach Hinterzarten dazwischen.
Vom Bundesstraßen-Hass gehen wir nahtlos in Unterkunftsuchen-Stress über. Denn sämtliche Schweizer Hundebesitzer bevölkern derzeit Hinterzarten, um die Ohren ihrer wuscheligen Lieblinge vor dem Nationaltag-Feuerwerks-Getöse in der Heimat zu schützen. Schließlich gelingt es C., eine Pension mit Balkon und Bergblick klarzumachen. Wir sind angekommen!